Neue Meßtechnik in der Milcherzeugerberatung
Die Gewinnung von Qualitätsmilch stellt immer höhere Anforderungen an
das
Melkmanagement und die Melktechnik. Die Grenzwerte für Keimzahlen und
Zellzahlen sind in den letzten Jahren verschärft worden, so daß es
immer
wichtiger wird mit einer einwandfreien Melktechnik zu Arbeiten. Um
festzustellen ob die Melktechnik einwandfrei arbeitet ist jetzt ein neues
Meßgerät entwickelt worden.
Früher konnten Fehler in der Melkanlage noch durch gute Melkarbeit
ausgeglichen
werden, heute allerdings ist das kaum noch möglich. Zur einwandfreien
Melkanlage gehört, daß die Milch aus dem Euter zügig die
Milchableitenden Wege
passiert und nicht lange in den Milchschläuchen "steht" oder sogar zum
Euter
zurückfließt.
Melkmaschinen funktionieren mit Unterdruck, häufig Vakuum genannt. Der
Melkerfolg hängt ganz entscheidend von der Höhe des Unterdrucks ab.
Da Druck
und Unterdruck zu den Dingen gehört, die Menschen nicht absolut wahrnehmen
können, gibt es technische Hilfsmittel, die den Druck messen können.
Zu diesen
Meßgeräten gehört das Regelventil, das dem Zweck dient, den
einmal
eingestellten Unterdruck in der Melkanlage konstant zu halten.
Der Unterdruck wird in einer (Milch)-leeren Anlage eingestellt. Unter
Melkbedingungen verändert sich jedoch die gesamte Situation. Dann befindet
sich
Milch in der Melkanlage, was zu Druckschwankungen führt. Die
Leitungsquerschnitte werden durch die in der Leitung befindliche Milch so
verengt, daß kaum noch Luft hindurch paßt und der Unterdruck stark
schwankt. Je
kleiner die Leitungsquerschnitte sind und je mehr Milch transportiert wird,
desto größer die Druckschwankungen. Besonders deutlich wird das im
kurzen
Milchschlauch.
Viele Anlagen werden regelmäßig überprüft. Häufig
wird dabei auch während des
Melkens der in der Anlage befindliche Unterdruck gemessen. Diese Methode nennt
man Naßmessung. Bisher gibt es jedoch nur Meßgeräte, die an
jeweils einer
Stelle messen können. Damit kann man die Druckschwankungen an verschiedenen
Stellen nacheinander unter Melkbedingungen messen wodurch festgestellt werden
kann wie groß die Schwankungen an einigen Stellen sind.
Nun ist ein Gerät entwickelt worden (Bovi Press Meßgerät), mit
dem man an
mehreren Stellen gleichzeitig die Druckverhältnisse messen kann. Damit
lassen
sich nicht nur Druckschwankungen an den verschiedenen Stellen messen, sondern
auch die Druckdifferenzen innerhalb der Anlage an verschiedenen Stellen zur
selben Zeit. Wenn an Zwei nebeneinander liegenden Abschnitten eine
Druckdifferenz besteht, fließt die Milch natürlich zu der Stelle mit
dem
niedrigeren Druck, was aber in der Praxis nicht immer die Richtung Milchtank
ist. Unter Umständen fließt die Milch kurzzeitig in die falsche
Richtung, was
nicht erwünscht ist und sich schädlich auf die Eutergesundheit
auswirkt. Die
Milch aus dem gesunden Euter ist keimfrei. Sobald sie jedoch mit den
milchführenden Gummiteilen in Berührung kommt, wird sie mit den dort
vorhandenen Umweltkeimen und Mastitiserregern angereichert.
Daß die Milch in der Melkanlage nicht immer in die richtige Richtung
fließt war
schon immer bekannt, jetzt aber, durch das neue Meßgerät kann das
auch
gemessen, nachgewiesen und sogar genau lokalisiert werden. Durch diese nun
mögliche Messung kann in jeder Melkanlage genau ermittelt werden, unter
welchen
Bedingungen die Milch in die falsche Richtung fließt, und mögliche
Lösungen
können angeboten werden.
Hierzu ein Beispiel: Der Unterdruck wird am Melkzeug im kurzen Milchschlauch an
Zwei Punkten gemessen ( Abbildung 1, Messpunkt 1 und 2 ). Dabei wird ermittelt,
wie sich die Druckverhältnisse in dem Bereich während des Melkens
ändern. Wenn
das Zitzengummi öffnet, also die Saugphase beginnt, und noch Milch im
kurzen
Milchschlauch steht, kommt es zu einer Vergrößerung des Unterdrucks
an der
Zitzenspitze. Die Milch aus dem Kurzen Milchschlauch wird in Richtung Zitze
gesaugt. Die Milch kann in die Zitze eindringen und Mastitiserreger in das
Euter transportieren. Auf diese Weise werden Euterentzündungen von einem
Euterviertel zum anderen übertragen. Wenn die nächste Kuh mit dem
Melkzeug
gemolken wird, ist eine &Üuml;bertragung auch auf diese Kuh möglich (
Abb.
2).
Eine solche Messung ist in Abb. 3 dargestellt: Die Kurve am Messpunkt 6 stellt
jeweils einen Pulstakt da. Um die Milch zügig abzuleiten sollte an der
Meßstelle 2 ein größerer Unterdruck vorhanden sein als am
Messpunkt 1 . Das
dies nicht immer der Fall ist, sieht man deutlich. Teilweise werden am
Messpunkt 1 bis zu 5 kPa mehr erreicht als am Messpunkt 2, was unweigerlich zum
Milchtransport in Richtung Zitze führt.
An diesem Beispiel wird deutlich, wie wichtig es ist, die Verhältnisse in
der
eigenen Melkanlage genau zu ermitteln. Die Erfahrungen mit dem
Meßgerät im
letzten halben Jahr haben gezeigt, daß es sehr häufig zum
Rückfluß der Milch in
die Zitzen kommt, dem sogenannten Respray. Die Gefahr der Verbreitung von
Mastitiserregern in der ganzen Herde ist sehr groß. Wenn erst mehrere
Kühe
erkrankt sind ist es sehr schwer und zeitaufwendig die Eutergesundheit wieder
herzustellen. Daraus wird deutlich, daß es für die Eutergesundheit
der ganzen
Herde von entscheidender Bedeutung ist, daß keine Milch aus dem Bereich
des
Melkzeuges in die Zitzen transportiert wird. Um so wichtiger ist die
rechtzeitige Erkennung solcher Schwachstellen.
Die Erfahrungen haben gezeigt, daß dieser Respray unabhängig vom
Fabrikat der
Melkanlage bei allen Anlagentypen unter bestimmten Umständen auftreten
kann.
Nur durch die Messung der Druckdifferenzen in der Melkanlage läßt
sich
diesbezüglich eine genaue Diagnose stellen.
[erschienen in: Hannoversche Land- und Forstwirtschaftliche Zeitung, Ausgabe
3.2000, 20. Januar 2000, Seite 34ff und
Bauern Zeitung, Ausgabe 31.2000, 4. August 2000, Seite 60ff]
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