Probleme mit der Eutergesundheit und deren melktechnische Ursachen
In den letzten Wochen und Monaten ist in der Fachpresse einiges über
Melktechnik und Eutergesundheit berichtet worden. Während die Technik im
Ackerbau enorm weiterentwickelt wurde, hat sich in der Melktechnik
vergleichsweise wenig getan. Im Grunde sind nur die Milchsammelstücke und
die
milchableitenden Wege vergrößert worden, die übrige Technik des
Milchentzugs
entspricht, mit ganz wenigen Ausnahmen, der von vor 30 Jahren.
Die häufigsten Probleme in den Betrieben sind hohe Zellzahlen und / oder
ständig wiederkehrende Mastitiden sowie schlechtes Ausmelken,
Haftungsprobleme,
Hyperkeratosen (Strichkanalausstülpungen), Unruhe der Tiere beim Melken,
Ring-
und Ödembildung an der Euterbasis. Um den Ursachen dieser Probleme auf die
Spur
zu kommen, reicht es nicht aus, die Melkanlage statisch durchzumessen
(DIN/ISO). Auch empirische Betrachtungen reichen nicht aus. Es ist notwendig,
beim Melken sogenannte dynamische Messungen durchzuführen. Bei den
Messungen
mit dem neuen Bovi Press Meßgerät ( siehe Land und Forst, Ausgabe 3,
2000) in
verschiedenen Betrieben hat sich gezeigt, daß in vielen Betrieben die
Ursachen
auf einige wenige Gründe zurückzuführen sind. Mit dem Bovi Press
wird während
des Melkens an mehreren Stellen gleichzeitig gemessen, so daß genaue
Aussagen
über die Druckverhältnisse und deren Auswirkungen möglich sind:
Vakuumhöhe
Eine ganz entscheidende Rolle spielt die Höhe des Vakuums in der
Melkanlage.
Bei einem Melkanlagenvakuum von 40 bis 42 kPa kommt es bei der gängigen
Melktechnik zu einem Vakuum unter der Zitzenspitze von 30 bis 36 kPa, je nach
Milchfluß. Das belastet die Zitzen. Das zitzenendige Vakuum sollte
deutlich
unter 30 kPa liegen. Ein Indiz für ein zu hohes zitzenendiges Vakuum ist
das
nervöse Trippeln der Tiere zu Melkende und zu Melkbeginn, also in Phasen
geringen Milchflusses, wo das Vakuum aufgrund der geringen
Querschnittsverlegung besonders hoch ist ( 38 bis 40 kPa). Die Folgen des zu
hohen zitzenendigen Vakuums sind Hyperkeratosen (Strichkanalausstülpungen)
und
Zitzenverhärtungen. Aus physiologischer Sicht sollte das zitzenendige
Vakuum
bei 22 kPa liegen, das entspricht der Saugstärke der Kälber.
Eine Absenkung des Vakuums ist häufig nicht möglich, da aufgrund der
nicht zur
Herde passenden Zitzengummis und zu schweren Becherhülsen Haftungsprobleme
auftreten.
Zitzengummis
Wenn die Zitzengummis im Schaft zu groß sind kommt es zu sehr hohem
Vakuum an
der Euterbasis. Während das Vakuum im Zitzengummikopf zu Beginn und
während der
Hauptmilchflußphase bei 5 kPa bis maximal 10 kPa liegen sollte, wurden
durch
Messungen häufig in diesen Phasen über 10 kPa ermittelt. Ein so hohes
Zitzengummikopfvakuum schon zu Beginn des Melkens hat fatale Folgen: Bei einem
großen Zitzengummikopfdurchmesser kommt es zum klettern des Melkzeugs.
Wenn die
Lippen des Zitzengummikopfs zu hart sind, ist die Folge ein Stau von Blut und
Gewebeflüssigkeit in der an der Zitzenbasis, der zur Verengung der
Milchkanäle
im Übergang zwischen Euter und Zitzenzisterne führt. Die Folge ist
eine
verlängerte Melkzeit und ein schlechter Ausmelkgrad der Tiere.
Die erforderliche Größe der Zitzengummis muß sich nach den
kleinsten Tieren der
Herde richten. Bei Schwarzbunten Herden gibt es häufig Tiere mit sehr
kleinen
Zitzen, für die schon Zitzengummis mit einem Schaftdurchmesser von 24 mm zu
groß sind. Damit auch Tiere mit großen Zitzen gemolken werden
können, muß das
Material der Zitzengummis im Kopf sehr
weich sein. Durch die weiche Kopflippe können auch Tiere mit großen
Zitzen
gemolken
werden, da das Material nachgibt und es nicht zu Abschnürungen kommt.
Kleine Zitzengummis (Schaftdurchmesser größer 24mm) werden von den
Firmen auf
dem deutschen Markt kaum angeboten. Auf dem internationalen Markt
erstaunlicherweise schon.
Leitungsquerschnitte
Die großen Leitungsquerschnitte vom Schauglas bis hin zur Melkleitung
sollen
die Milch schneller ableiten. Bei großem Milchfluß sind große
Leitungsquerschnitte nötig, da zu kleine Leitungen von der Milch verlegt
würden, es entstehen Milchsäulen. Dadurch kann sich das Vakuum nicht
mehr zum
Melkzeug ausdehnen und die Melkzeuge können nicht mehr am Euter haften.
Wenn
der Milchfluß allerdings kleiner wird, kann das Anlagenvakuum fast
ungehindert
die Zitzenspitze erreichen, da weniger Milch den Leitungsquerschnitt verlegt.
Dadurch kommt es gerade zum Ende des Melkens zu einer sehr hohen mechanischen
Belastung der Zitzen. Dieser Effekt ergibt sich auch zu Melkbeginn, wenn die
Kühe nicht gut angerüstet sind und der Milchfluß nach dem
Ansetzen des
Melkzeugs nicht gleich einsetzt.
Die Milch ableitenden Wege sollten keine zu großen Querschnitte haben, die
Milch soll trotzdem gut abtransportiert werden.
Milchsammelstücke
Bei steigendem Milchfluß wird es auch bei großen
Leitungsquerschnitten immer
schwieriger, die Milch schnell abzutransportieren. Aus diesem Grund wurden die
Sammelstücke belüftet, was zu einem schnelleren Milchtransport
führt. Das
Problem ist aber, daß die Milch vom Sammelstück aus, aufgrund des
Lufteinlasses, in alle Richtungen transportiert wird, auch zum Euter.
Dadurch kommt es zu Rückfluß der Milch in das Euter. Mit der Milch
werden
Mastitiserreger und Umweltkeime die sich in den milchableitenden Wegen befinden
in das Euter transportiert. Die Umweltkeime gelangen in der Zwischenmelkzeit in
die Melkanlage und die Mastitiserreger können von euterkranken Kühen
stammen,
die vorher gemolken wurden. Durch diese Belüftungstechnik in den
Milchsammelstücken kommt es in vielen Betrieben zu ständig
wiederkehrenden
Euterendzündungen, da die Kühe sich gegenseitig infizieren.
Genaue Aussagen über die Verhältnisse in den einzelnen Melkanlagen
sind nur
durch dynamische Messungen (während des Melkens) an mindestens 3
Meßstellen
möglich. Durch die Aufzeichnung der Messdaten und die sehr kurzen
Meßintervalle
( 0,5 bis 2 msek) lassen sich die Verhältnisse in der jeweiligen Anlage
genau
analysieren. Die beschriebenen Probleme und deren Ursachen sind Erfahrungen aus
einem Jahr Messungen mit dem Bovi Press Meßgerät. Welche Ursachen in
anderen
Melkanlagen bestehen, muß im Einzelfall untersucht werden Es zeichnet sich
jedoch ein deutlicher Trend ab hin zu einer neuen Entwicklung in der
Melktechnik.
Neue Innovative Melktechnik
Die Meßergebnisse der Vergangenheit haben zu Überlegungen
geführt, die
Melktechnik an ganz entscheidenden Punkten zu optimieren.
Die Lösung ist ein neues Melkzeug: kleine Zitzengummis mit sehr weichen
Kopflippen, leichte Becherhülsen, ein strömungstechnisch
verändertes
Milchsammelstück, was bei einer Vakuumhöhe von 32 kPa (im Melkstand)
eingesetzt
werden kann. Dies Melkzeug muß sich in die gängige Melktechnik
integrieren
lassen.
Das das möglich ist, haben einige Praxisversuche gezeigt. In den
Versuchsbetrieben gingen die Zellzahlen zurück und die Zitzen sind weich
und
geschmeidig geworden. Auch treten kaum noch Mastitisneuinfektionen auf.
Dies neue Melkzeug ist der erste, ganz entscheidende Schritt hin zu einer
optimierten Melktechnik.
[erschienen in: Hannoversche Land- und Forstwirtschaftliche Zeitung, Ausgabe
9.2000, 2. März 2000, Seite 46ff und
Bauern Zeitung, Ausgabe 35.2000, 1. September 2000, Seite 42ff]
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